Vanille: Suesswarengewuerz Nr. 1

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Zutaten:
Vanille

Echte Vanille wächst in tropischen Regionen. Wie bekommen die
zunächst gruenen Schoten der kletternden Orchidee ihr wunderbares
Aroma? Das setzt sich aus zahlreichen verschiedenen Substanzen
zusammen, Hauptaromastoff ist das Vanillin. Längst kann die
Aromaindustrie diesen Stoff synthetisch viel billiger produzieren.
Echte Vanille oder Vanillin finden sich heute in Tausenden von
Lebensmitteln. Was versteckt sich hinter Begriffen wie
natuerliches Vanillearoma, naturidentisches Vanillin oder
Vanillegeschmack?


Ile de Bourbon
Die Insel La Réunion gehört zu Frankreich, liegt aber östlich
von Madagaskar mitten im Indischen Ozean. Hier wachsen Zuckerrohr,
exotische Fruechte und Gemuese im tropischen Klima. Auf La
Réunion, zu Kolonialzeiten als Ile de Bourbon bezeichnet, gibt
es auch die danach benannte Bourbon-Vanille. Weit mehr als ein
Jahrhundert lang waren Vanilleplantagen und der Export der
schwarzen Schoten ins ferne Europa ein bluehendes Geschäft.
Inzwischen wird auf La Réunion fast nur noch fuer Touristen
produziert. Madagaskar, die Komoren und Indonesien sind heutzutage
die Hauptanbaugebiete fuer das begehrte Gewuerz.

Kletter-Orchidee aus Mexiko
Die Vanille (vanilla planifolia und vanilla tahitensis) ist eine
von fast 20.000 Orchideearten. Sie liebt feuchtwarmes Klima und
braucht Bäume oder Lianen zum Klettern. Erst nach etwa drei
Jahren tragen die Pflanzen gruene, bohnenähnliche Fruechte.
Urspruenglich stammt die Vanille aus Mexiko, wo die Azteken damit
schon ihren Xocolatl – den Kakaotrunk – verfeinerten. Mit den
Spaniern kam die Vanille Mitte des 16. Jahrhunderts nach Europa
und später auch in die asiatischen und afrikanischen Kolonien.
Weil aber nur in Mexiko die Melipona-Bienen leben, die auf
natuerliche Weise die Vanilleblueten bestäuben, blieb die
Kultivierung anderswo lange erfolglos.

Bestäubung der Blueten von Hand
Auf La Réunion erfand der Sklave Edmond Albius schliesslich eine
einfache Methode, um die Blueten kuenstlich zu bestäuben. Seitdem
werden ausserhalb Mexikos auf allen Vanille-Plantagen der Welt
nach der Albius-Methode die Staubgefässe der Vanille-Blueten auf
die geöffnete Bluetennarbe gedrueckt. Nach neun Monaten werden
die Schoten gepflueckt.

In drei Schritten zum Aroma
Die frischen, gruenen Vanille-Stangen duften zunächst nach
nichts. Das wunderbare Vanille-Aroma erlangen sie erst nach drei
Bearbeitungsschritten: Zunächst gibt man die frischen Schoten
einige Minuten in 60 Grad Celsius heisses Wasser, um den
Reifeprozess zu stoppen. Dann schwitzen sie 24 Stunden lang in
Holzkisten, die mit Wolldecken ausgelegt sind, und werden durch
diesen Fermentationsprozess schwarz. Schliesslich muessen sie
abwechselnd im Ofen und an der Sonne trocknen. Nach achtmonatiger
Lagerung werden sie nach Qualität und Grösse sortiert. Auf den
Weltmarkt kommen jedes Jahr etwa 2.000 Tonnen Vanilleschoten.
Echte Vanille ist nach Safran das zweitteuerste Gewuerz der Welt.
Vanille ist die wichtigste Geschmacksrichtung fuer Suessaromen und
suesse Lebensmittel.

Vanillin – Hauptaromastoff der echten Vanille
Bei den Importeuren und Aromaherstellern muessen die dunklen
Schoten eine Kontrolle durchlaufen. Die zerkleinerten Schoten
kommen zur Extraktion in ein Kolbensystem, in dem ein Gemisch aus
heissem Wasser und Alkohol die meisten Aroma-Substanzen aus den
Vanillestueckchen herauslöst.

Damit die Produkt-Qualität stimmt, muessen die eingekauften
Schoten die vier wichtigsten Aromastoffe in einem ganz bestimmten
Verhältnis enthalten. Vanillin ist der wichtigste und bestimmt
das Gesamtaroma. Der Vanillin-Gehalt einer Schote macht etwa 1 bis
3 Prozent aus.

Nach einem ähnlichen Verfahren funktioniert auch die industrielle
Herstellung von Vanille-Extrakt. Die Fläschchen mit dem braunen
Konzentrat findet man im Supermarktregal neben den Glasröhrchen
mit den ganzen Schoten. Diese kann man zum Beispiel bei der
Zubereitung von Suessspeisen in Milch mitkochen, anschliessend
lässt sich das Mark ganz einfach herauskratzen und untermischen.
Es gibt auch echten Vanille-Zucker mit gemahlenen Schoten und
Vanille-Extrakt.

Vanillin: Naturidentisch und natuerlich
1874 gelang es erstmals, Vanillin kuenstlich herzustellen. Damals
war der Saft von Fichtenbäumen der Ausgangsstoff fuer das
naturidentische Vanillin. Heute stammt das naturidentische
Vanillin im Vanillinzucker oder im Pudding mit Vanillegeschmack
auch aus anderen Quellen, zum Beispiel aus der Petrochemie und den
Ablaugen der Papierindustrie.

Das natuerliche Vanillin wird nicht nur aus Vanilleschoten
gewonnen, sondern kann auch biotechnologisch hergestellt werden –
mithilfe von Mikropilzen. Diese bekommen als Futter Ferulasäure,
woraus sie auf biologischem Wege Vanillin synthetisieren, das
schliesslich abgefiltert wird. Das Aroma, das bei diesem
Fermentationsverfahren gebildet wird, darf dann als natuerliches
Vanillin bezeichnet werden – genauso wie das aus den
Vanilleschoten gewonnene Vanillin.

Vanillin – ob naturidentisch oder natuerlich – steckt in vielen
Produkten, obwohl es namentlich auf den Etiketten nicht immer
erwähnt wird. Vanillin ist mengenmässig der wichtigste
Geschmacksstoff weltweit mit einer Verwendung von ungefähr 12.000
Tonnen im Jahr. Diese Menge lässt sich aus Vanilleschoten selbst
nicht herstellen: Aus 2.000 Tonnen, die etwa weltweit jährlich
geerntet werden, liessen sich nur rund 40 Tonnen Vanillin
herstellen.

Viele Lebensmittelhersteller kaufen fertige Aroma-Mischungen, die
aus synthetischen, aber oft auch aus Naturstoffen zusammengestellt
sind. Der Trend geht dahin, dass zum Beispiel Kekshersteller den
Duft und Geschmack eines neuen Produktes nicht mehr selbst
entwickeln, sondern vom Aroma-Produzenten kreieren lassen.

Von Kindheit an geprägt auf Vanillin
Vanillin rundet nicht nur das Gesamtaroma von Gebäck ab, sondern
gibt auch Schokolade und Gebäckfuellungen das unwiderstehliche
gewisse Etwas. Die meisten Menschen sind bereits darauf geprägt
und bevorzugen unbewusst Produkte mit Vanillin. Wie der Stoff im
Körper wirkt, ist bis heute noch nicht hundertprozentig geklärt.
Sicher ist jedenfalls: Den Geschmack echter Bourbon-Vanille, der
aus vielen verschiedenen Aromen besteht, hat bis jetzt noch kein
Chemiker nachahmen können. Allerdings kennen viele Verbraucher
heute kaum noch den Geruch und Geschmack echter Vanille, sondern
nur noch den des Vanillins. Oft sind sie sogar enttäuscht, weil
echte Vanille nicht so intensiv schmeckt.

Orientierungshilfe

Bei folgenden Bezeichnungen auf der Lebensmittelpackung oder im
Zutatenverzeichnis handelt es sich um echte Vanille:

1.gemahlene / vermahlene Vanilleschoten
2.Vanille-Extrakt
3.Bourbon-Vanille
4.echte Vanille

Bei folgenden Bezeichnungen handelt es sich um naturidentisches
Vanillin:

1.Vanille-Geschmack
2.Vanillin
3.naturidentisches Aroma

Wenn es heisst natuerliches Vanillin, dann wurde das Vanillin
entweder aus der Vanilleschote gewonnen oder in einem
biotechnologischen Verfahren (Fermentation – siehe oben).

Oft findet sich in Produkten (etwa Bourbon-Vanille-Eis) sowohl
Vanillin als auch echte Vanille, die man an den kleinen schwarzen
Punkten (= gemahlene Schoten) erkennen kann.

http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/kp_sarchiv/2000/09/11_2.html

:Stichwort : Info
:Stichwort : Vanille
:Erfasser : Christina Philipp
:Erfasst am : 30.09.2000
:Letzte Aenderung: 30.09.2000
:Quelle : WDR Kostprobe, 11.09.2000
:Quelle : Anne Welsing

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