Die Aubergine, eine Kurzgeschichte

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Zutaten:
Claus Schweitzer Erfasst von Rene Gagnaux

Die dunkelviolette gurkenförmige Königin der Nacht ist geduenstet,
gebraten oder gekocht eine wahre Köstlichkeit – wenn man sie kräftig
salzt und mit Knoblauch zubereitet.


Als die Aubergine bei uns noch Eierfrucht hiess, da kannte man
vermutlich nur ihre weiße, einem Huehnerei gleichende Verwandte, die
Aubergine blanche, wie sie sich jetzt vornehm nennt. Auf unseren
Märkten ist sie inzwischen ebensowenig bekannt wie ihr alter
deutscher Name. Dafuer trifft man gelegentlich auf ihren schlankeren
gestreiften Bruder Slim Jim aus Guadeloupe. Oder auf die kleine
rundliche Violette ronde de Valence, die in Marokko zu Hause ist.
Etwas häufiger sieht man die Mostruosa di New York, die allerdings
aus Italien stammt. Genauso wie ihre fruehreife Schwester Violetta
di Parma. Weniger klangvoll mit Namen, dafuer um so feiner ist die
Lange Violette, die sich wegen ihres Geschmacks ganz besonderer
Beliebtheit erfreut. Ihre makellose Figur (10 bis 30 cm lang und bis
1 kg schwer) und das glänzende dunkelviolette Aussehen tun das ihre,
dass sie immer neue Freunde gewinnt und als das Glanzstueck der
Familie gilt.

Als die Aubergine vor etwa 700 Jahren aus China und Indien nach
Europa kam, war das Misstrauen groß, getreu dem Spruch Was der
Bauer nicht kennt…. Gehört sie doch zu den
Nachtschattengewächsen und hatte den Ruf, Liebe und Wahnsinn zu
erzeugen.

In alten Buechern findet man eine Geschichte, die wir nicht
vorenthalten möchten: Gegen Ende des 13. Jahrhunderts soll der
beruehmte Taddeo di Alberotto, Professor der Medizin und Arzt in
Bologna, besonders eindringlich vor den oben schon erwähnten
Gefahren gewarnt haben. Einer seiner Schueler jedoch wollte es
genauer wissen. Nach neun Tagen reichlichen Auberginengenusses war er
so fidel und ausgelassen wie nie zuvor. Vor seinem Lehrmeister verlor
er schliesslich jeglichen Respekt. Worauf der große Doktor endlich
den Beweis fuer seine Theorie erbracht sah.

Die Praxis ist: Der Genuss von Auberginen hat weder Tollheit noch
Liebe zur Folge. Wer auf die erotisierende Wirkung wartet, sollte
sich nicht nur ein Auberginenfeld anlegen, sondern es auch auf einmal
essen. Denn nur in rauhen Mengen kann die Königin der Nacht ihre
angebliche Kraft entfalten. Viel vergnueglicher ist es, die Aubergine
ihres Geschmacks wegen zu mögen. Nur unreife Fruechte sollte man
besser meiden; sie bekommen nicht so gut. Die reifen dagegen erweisen
sich als eine ganz spezielle Delikatesse, die sich auf vielfältige
Weise zubereiten lässt.

Als Grundregel gilt: Eine Aubergine ohne Knoblauch ist eine Aubergine
ohne Seele. Womit bereits angedeutet ist, dass es kaum ein
Auberginengericht gibt, bei dem Knoblauch nicht eine tragende Rolle
spielt. Doch bevor Sie nach dem Knoblauch greifen, sollten Sie
folgendes beachten: Da Auberginen Bitterstoffe enthalten, muss man
sie – in Scheiben oder Streifen geschnitten – erst einmal kräftig
salzen, so dass mit der austretenden Fluessigkeit auch alles Bittere
entweicht. Dieser Vorgang dauert etwa 30 Minuten.

Neben dem Knoblauch liebt die Aubergine vor allem frische Kräuter.
Und viel Olivenöl. Aber vom besten muss es sein. Wie ein kleiner
Schwamm nimmt sie es während des Garens begierig auf und lässt die
Kräuter und Gewuerze sich voll entfalten. Wobei es kaum eine Rolle
spielt, ob Sie die Auberginen nun schmoren oder grillen oder ob Sie
sie als Auflauf oder gefuellt zubereiten wollen. Der Vielseitigkeit
sind keine Grenzen gesetzt.

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