Anguille del Papa (Aal, wie der Papst ihn mag)

Menge: 2 Servings(*

Zutaten:
700 g Aale
1 mittl. Stueck Sellerie
3 Karotten
1 Zwiebel
80 g Getrocknete Steinpilze
1 Lorbeerblatt,
Salz
Peperoncino
3 El. Olivenoel
300 ml Vernaccia di San Giminiano oder ein anderer moeglichst trockener
Vernaccia (**)
Josef Imbach, aus Was Paepsten und Praelaten schmeckte
Erfasst von Rene Gagnaux

Die Aale Papst Martins IV… Josef Imbach erzählt:


Wenn wir uns an Dantes Göttliche Komödie halten, befindet sich der
Ort, wo die Leckermäuler fuer ihre ungezähmten Lueste buessen,
weder ganz im Zentrum noch ganz am Rand des Fegefeuers, sondern
irgendwo dazwischen. Denn erst im 24. von den dreiunddreissig
Gesängen des Purgatorio gelangt der Dichter unter Vergils kundiger
Fuehrung dahin, wo die Naschkatzen und Genusspechte zum Abspecken
versammelt sind. Unter ihnen befindet sich auch einer

: mit einem ganz zerfallenen Gesicht.
: Die Kirche war ihm frueher anvertraut.
: Er kam von Tours und läutert jetzt mit Fasten
: Vernaccia und die Aale aus Bolsena.

Ein Papst? Aus Tours? Der Aale mochte? Die in Vernaccia zubereitet
wurden? Soviel hätte uns Tratschke im Zeit-Magazin nicht verraten.
Weil sonst sogar die Kirchenfeinde rasch auf Martin IV. gekommen
wären. Da die Römer dem in diplomatischen Dingen erfahrenen
Franzosen nach seiner im Jahre 1281 erfolgten Wahl zu Viterbo den
Zutritt zu ihrer Stadt verweigerten, liess er sich in Orvieto
krönen. Nach vier Jahren schon verstarb er in Perugia und wurde in
der dortigen Kathedrale beigesetzt.

Vielleicht wären ihm noch ein paar Jährchen mehr vergönnt gewesen,
wenn er seine Residenz nicht so nahe beim Lago di Bolsena
aufgeschlagen hätte. Denn auf die in diesem See sich schlängelnden
Aale war Martin IV. regelrecht gierig, und das sollte sein Verderben
sein. Zeitgenössischen Chronisten zufolge nämlich starb der
Bedauernswerte nach einem ausgiebigen Aalessen an
Verdauungsbeschwerden.

Dieses Gericht aber schmeckt so gut, dass selbst Dante fuer die
Gelueste des Papstes Verständnis hegt. Sonst hätte er den
genussfreudigen Martin ja nicht zum Fegefeuer begnadigt, sondern ihn,
wie Nikolaus III., Bonifaz VIII. und Klemens V., in die Feuerhölle
verbannt. In der Gegend um den Bolsener See gelten die Anguille del
Papa noch heute als Spezialität.

Die Zubereitung:

Das Gemuese in Wuerfelchen schneiden und die vorher eingeweichten
Steinpilze grob hacken. Alles bei mittlerer Hitze im Oel dämpfen,
wuerzen und unter gelegentlichem Ruehren immer wieder etwas Vernaccia
dazugeben. Am Schluss werden die gehäuteten und in Stuecke
geschnittenen Aale hinzugefuegt, ein- bis zweimal gewendet und nach
zehn bis fuenfzehn Minuten aus dem Topf serviert.

(*) Josef Imbach: Etwas altmodisch, wie wir nun einmal sind,
betrachten wir die Geschichte nach wie vor als magistra vitale, als
Lehrmeisterin in bezug auf unsere Lebensfuehrung, und erinnern uns
dabei an das Ende des Papstes. Anderseits sind wir natuerlich nicht
so abergläubisch, dass wir uns bei diesem Gericht auf eine halbe
Portion beschränken. Frohgemut lassen wir uns noch einmal
nachreichen. Und genehmigen uns zum Schluss einen Aquavit. Der hätte
Martin IV. möglicherweise das Leben gerettet.

Der Chronist ueberliefert, dass schon kurz nach des Papstes Tod ein
Spottvers in Form einer Grabinschrift die Runde machte:

: Gaudent anguillä
: quia hic iacet ille
: qui quasi mortue eas
: escoriabat eas.

Auch wer nur wenig Latein versteht, kann sich auf dieses Epitaph
einen Reim machen:

: Es jubeln die Aale hienieden,
: denn hier ruht jener in Frieden,
: der ihnen den Bauch aufschlitzte
: und sie mit Vernaccia bespritzte.

(**) Josef Imbach: Wenn wir vergessen haben, im Fachgeschäft oder
beim Italiener einen Vernaccia zu besorgen, verwenden wir statt
dessen einen trockenen Riesling, aber nur im äussersten Notfall!

:Fingerprint: 21588380,101318741,Ambrosia

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