Die Steckruebe (Bodenkohlrabi)

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Zutaten:
Steckruebe
Dorsche
Dotsche
Wruke
Oldenburger Ananas
Unterkohlrabi
Schmalzruebe
Bodenruebe
Kohlruebe
Bodenkohlrabi; Schweiz
Speisekohlruebe; Schweiz
Brassica napus var. napobrassica L.
Rutabaga; franz.
Rutabaga; engl.
Swede; engl.
Swede turnip; engl.
durch Rene Gagnaux Nach der WDR-Sendung Kostprobe von Januar 96
sowie andere Quellen

Alte Gemuese – neu entdeckt: die Steckruebe. Bastarde seien die
Kinder der Liebe, sagt man und huellt den Rest in Schweigen. Werden
die unverhofften Sprösslinge geliebt oder verachtet, begehrt oder
kaltgestellt? Der Steckruebe, dem Bodenkohlrabi – vermutlich aus der
Verbindung von Kohlrabi und Herbstruebe entstanden – war und ist
beides beschieden.


Wer Ruebe hört, ruempft gern die Nase. Bei den Aelteren ist sie als
Kriegsessen verpönt, von den Juengeren wird sie kaum beachtet. Zu
Unrecht. Anspruchslos im Anbau, schnellwachsend und ertragreich hat
diese Ruebe wohl manche Familie vor dem Schlimmsten bewahrt: in
Zeiten wo Schmalhans in den Kuechen regierte, hatte die Steckruebe
jeweils Konjunktur.

Zumindest die Namensvielfalt ist ueppig fuer die Steckruebe, die
Erinnerungen an karge Kost weckt: Dorsche, Dotsche, Wruke, Oldenburger
Ananas, Unterkohlrabi, Schmalzruebe, Bodenruebe oder Kohlruebe lauten
die Bezeichnungen der alten Kulturpflanze, deren genaue Herkunft
ebenso unbekannt ist wie ihre Wildformen. Vermutet wird, dass sie vor
einigen Jahrhunderten im westlichen Mittelmeergebiet aus Kohlrabi und
Herbstruebe gezuechtet wurde. Wahrscheinlich wurde sie schon von
Galliern und Kelten angebaut, der erste Nachweis ihrer Kultivierung
stammt aber aus Babylon.

Neben wertvollen Mineralstoffen liefert die Steckruebe vor allem die
Vitamine B1 und B2 sowie rund 33 mg Vitamin C / pro 100 g. Stärke-
und zuckerreich ist sie, dennoch ist sie das kalorienärmste
Wurzelgemuese (32 Kilokalorien pro 100 g), bedingt durch ihren hohen
Wasseranteil von 84 Prozent. Ihr Geschmack ähnelt dem herbsuesser
Möhren.

Geerntet wird sie ueberwiegend in den Monaten Oktober und November.
Doch längst ist der Steckruebenanbau zur Randerscheinung in der
heimischen Gemueseproduktion geworden. Wohl auch, weil die Steckruebe
im Geschichtsrueckblick ein Synonym fuer Hunger- und Notzeiten
geworden ist.

So wurden damals in den Steckruebenwintern des ersten Weltkrieges
grosse Teile der Bevölkerung mit der Ruebe in den rund 1.500
Suppenkuechen des Deutschen Reiches mehr schlecht als recht versorgt.
Gegen Ende des Krieges waren es z.B. in Hamburg rund 18 % der
Bevölkerung. Den hungernden Menschen blieb auch nichts uebrig als
den wässrigen Eintopf zu essen. Denn das kaiserliche Regime erwies
sich als unfähig den Wucherern im inländischen Lebensmittelhandel
das Handwerk zu legen und ersann deshalb diese Form der
Massenverpflegung.

Auch in den folgenden Jahren blieb die Steckruebe Objekt der
Kriegsplanung: So stellte die nationalsozialistische
Kriegskonjunkturforschung fest, dass es neben Brotgetreide und
Kartoffeln auch das kriegswichtige Gut Steckruebe aus der
Inlandsproduktion gedeckt werden konnte. Denn zum einen rechneten die
Nazis damit, dass sie durch ihre kriegerischen Aktivitäten von
Lebensmittellieferungen aus dem Ausland abgeschnitten werden wuerden,
zum anderen sollten fuer Lebensmittel auch keine wertvollen Devisen
mehr geopfert werden. Und so schrieb dann auch die Kochbuchautorin
Edith Sylvia Burgmann ihren Leserinnen im Vorwort ihres
Kriegskochbuches ins Gewissen: Wir strengen unsere Phantasie noch
ein bisschen mehr an, liebäugeln nicht mehr mit Dingen die
unerreichbar, sondern sind tugendhaft und verschenken uns mit vollem
Herzen der Kartoffel und dem Kohl und entdecken, dass wir
tatsächlich wenig Ahnung hatten, wie ausgezeichnet die sein können,
abgesehen von ihrer Nuetzlichkeit… Also! Am Kochtopf und im
Haushalt helfen wir Frauen den Krieg gewinnen! Dieses Vorhaben
konnte nicht gelingen und so blieb die Steckruebe weiterhin
unverzichtbarer Bestandteil der Hungerkueche im Nachkriegsdeutschland
~ der nach ihr benannte Eintopf blieb ein Klassiker der
Nachkriegskochbuecher. Auch wenn darauf verwiesen wurde, dass an Fett
gespart werden musste und die Kochzeiten genau einzuhalten waren um
Energie zu sparen. Kein Wunder, dass dieses Gemuese von der
Fresswelle der fuenfziger Jahre auf den Index gesetzt wurde. Die
Menschen wollten nicht mehr nur den Magen fuellen, sondern endlich
auch geniessen – und die Steckruebe als Symbol leidvoller Erfahrungen
wurde von den Speiseplänen gestrichen.

Lange wurde die Steckruebe wegen ihres strengen Geruchs und Geschmacks
abgelehnt. Doch dieser kohlige Geschmack war hauptsächlich eine
Folge der langen Garzeiten, vor allem bei den Steckruebeneintöpfen.
Einfach nur kurz blanchiert oder knapp gegart hat die Steckruebe ein
mildsuessliches Aroma und einen ausgezeichneten Geschmack.

: Erntezeit: September bis November.
: Aufbewahren: bei 0 bis 5 oC.
: Vorbereiten: Waschen, schälen, nochmals abspuelen
: Zubereiten: Roh, dämpfen, sieden im Dampf oder im Wuerzwasser

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